In Tsarevo (09.09.2015)
Wir werden vom Sonnenschein geweckt, und solange sie noch scheint, wollen wir sie genießen. Wir spazieren an der Küste entlang, und das Meer ist viel zahmer als gestern. Nur was nützt es, wenn es nicht so bleibt und wir bei unseren nächsten beiden Etappen nur ankern können mangels Yachthäfen? Da sind wir hier sicherer aufgehoben, außerdem gilt hier in Bulgarien noch unsere EU-Telefonflatrate und in der Türkei nicht, hier im Hafen gibt es Internet, wichtig für die Webseite mit den Wellenhöhen. Eins haben wir gelernt, dass Windstärke und Wellenhöhen sich nicht unbedingt parallel entwickeln.
Alles spricht also dafür, dass unsere Entscheidung , hier zu bleiben, richtig war, auch wenn wir heute bei schönem Wetter auf das ruhige Meer gucken und denken hmmm… Doch am Horizont türmen sich schon Wolkenberge, und auf dem Meer zeigen sich erste Schaumkronen.
In Tsarevo (10./11.09.2015)
Inzwischen hat der Sturm uns gepackt. Bis ins Hafenbecken bläst der Wind und schickt Wellen auf uns los, dass wir heftig durchgeschüttelt werden. An Schlafen ist in der Nacht zu Donnerstag nicht zu denken, das Boot wird herumgezerrt, eine Leine reißt, diverse Kontakte mit der Kaimauer. Am Donnerstag dann Optimierung der Liegeposition unter weiterhin heftigem Geschaukel. Wir verlängern die Leinen zum Ufer hin um einen weiteren Meter, um Mauerkontakte zu verhindern, was den Nebeneffekt hat, dass wir nicht mehr an Land können. Schließlich liegen wir hier an Moorings und Landgang ist nur über die nun zu kurze Gangway möglich. Aber egal, Hauptsache wir liegen einigermaßen sicher. Auf Anraten des wirklich erfahrenen Hafenmeisters verdoppeln wir die Leinen, um die extreme Belastung herauszunehmen, und wir legen unser Bootsleinen viel lockerer als wir uns normalerweise getraut hätten. So schwabbeln wir nun mit 10 Leinen wie beim Rodeo großräumig hin und her, aber das ruckartige Reißen wird weniger.
Auch die Fischer fahren nicht mehr raus und sichern ihre Boote mit Zusatzleinen.
Der Freitag ist wettermäßig nicht ganz so schlimm, wir sind dankbar für das bisschen Entspannung, der Appetit kommt zaghaft zurück. Aber die Zeit wird doch sehr lang. Lesen geht bei dem Seegang nicht so gut, essen wie gesagt auch nicht, und raus können wir nicht. Aber immerhin besser als ein Inferno auf dem offenen Meer, gerade kommt eine Sturmwarnung mit bis zu Windstärke 7 für die nächsten 12 h herein. Erst im Laufe des Sonntags soll spürbare Beruhigung eintreten, und wir hoffen , dass eine Weiterfahrt am Dienstag möglich ist.
In Tsarevo (12./13./14.09.2015)
Das groß angekündigte Gewitter für Samstag bleibt glücklicherweise aus, allerdings ist es auch so ungemütlich. Das Meer zeigt sich von seiner ruppigen Seite und schickt ordentliche Wellen von bis zu 60cm ins Hafenbecken, zwischendurch ändert sich die Windrichtung, so dass wir an unseren Leinen weitere Anpassungen vornehmen und nun auch auf der anderen Seite verstärken. Auch der Sonntag bleibt rauh, wenn auch zwischendurch die Sonne scheint. Erst in der Nacht zum Montag wird die See ruhiger, und wir schlafen gut. Und dann kommt am Montag nach fast 5 Tagen Haft der große Augenblick: unser erster Landkontakt, und wir schwanken wie die Matrosen, die ein halbes Jahr auf dem offenen Meer verbracht haben.
Wir müssen dringend einkaufen, denn in den letzten Tagen haben wir trotz wenig Appetit unsere eisernen Vorräte weggegessen, so zum Beispiel die Sauerkrautdose, die wir in Ratingen noch lachend (höhö, gegen Skorbut, falls wir mal festhängen….) in den Einkaufswagen gepackt haben und gestern in aparter Kombination mit Ananas , Reis und Dosenbier gegessen haben.
Die Wetteraussichten sind für morgen so stabil und die Wellen nur noch 1m hoch, dass wir guten Gewissens aufbrechen können; auch der obercoole Hafenmeister sagt „no problem“, in 5-6h seien wir am Bosporus. Na ja, dafür müssten wir mindestens Vollgas geben, wollen wir aber nicht, also früh aufstehen und mit gut der doppelten Zeit rechnen.
Ein weiteres positives Zeichen für uns sind die zahlreichen Fischer, die seit heute nachmittag wieder ihre Boote besteigen und aufs Meer fahren.
Jedenfalls erledigen wir heute an Land die Einkäufe, wo wir prompt den Hafenmeister treffen und er uns die Geschichte zu dem bulgarischen Brandy, dessen Fabrikbesitzer er kennt, erzählt, der natürlich auch ein Seefahrer ist. Okay, wir packen den Schnaps ein, und er ist begeistert und meldet sich bei uns zum Drink an. Er kommt dann auch tatsächlich und scheitert grandios bei dem Versuch, bei dem immer noch spürbaren Seegang über unsere kippelige Gangway auf unser Boot zu kommen. So verschiebt er seinen Besuch auf später, mal sehen, bis jetzt ist er noch nicht aufgetaucht.